Neue Narrative für eine positive Klimakommunikation

Wie lassen sich Menschen für Klima- und Gesundheitsschutz gewinnen? Dafür gibt es konkrete Werkzeuge der Klimakommunikation. Die Kernbotschaft: Gesunde Menschen gibt es nur auf einer gesunden Erde.

Es gehört zusammen, es ist „One Health“ bzw. Planetary Health. Mit dem Konzept der planetaren Gesundheit werben Eckart von Hirschhausen und Kerstin Blum in ihrer Stiftung „Gesunde Erde, Gesunde Menschen“ erfolgreich für einen zukunftsverträglichen Lebensstil. Einblicke in ihre Arbeit gaben sie bei der Herbsttagung des ThinkTank30: Mit Agenda-Setting, Medien-, Kampagnen- und politischer Arbeit erreicht die 2020 gegründete Organisation Millionen Menschen und bezieht politische Entscheidungsträger*innen, wie Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Armin Laschet ein. Daraus lassen sich spannende Schlüsse für erfolgreiche Klimakommunikation, Umweltkommunikation und Nachhaltigkeitskommunikation ableiten.

Dr. Eckart von Hirschhausen und Kerstin Blum diskutierten mit Mitgliedern des ThinkTank30 darüber, welche außergewöhnlichen Persönlichkeiten starke Botschafter für das Thema „One Health“ und planetare Gesundheit sein könnten. Einige der spannendsten Erkenntnisse aus der Diskussion sind hier zusammengefasst.

Wie gewinnt man Menschen für Planet Health?

Zuhören

Erst kennenlernen: Was ist Dir wichtig, was sind Deine Werte? Und dann eine Verbindung zum Thema schaffen.

Persönlicher Bezug

Z.B. mentale Gesundheit (Mental Health) ansprechen: Was ist der Preis, den wir seelisch zahlen, aber auch an Produktivitätsverlusten.

Persönliche Aha-Momente erzählen

Bei Eckart von Hirschhausen war es z.B. die Begegnung mit der Affenforscherin Jane Goodall, die ihm die Augen öffnete. Momente, wo Leute sich vorstellen können: Das hätte auch ich sein können.

Zahlen

Sommer 2022: 100.000 Menschen in Europa sind an Hitze gestorben – da redet kaum jemand drüber!

Relationen

Es gibt mehr Menschen in der Gesundheitsindustrie als in der Automobilindustrie, die ist streng genommen ein Zulieferer für die Gesundheitsindustrie…

Produktivität als Argument

Das Gehirn arbeitet ab 28 Grad Celsius nicht mehr so produktiv.

Umkehrung bisheriger Logiken

Normalerweise zeigen Psychiater*innen ihren Patient*innen bei Angststörungen: Was Du siehst, ist gar nicht da. Aber was sagt man als Nervenarzt oder Therapeutin jemandem mit Angst vorm Klimawandel? Da ist es umgedreht. „Die Ärzte haben zu lange vor dem Problem die Augen verschlossen“, so Hirschhausen. Erst die Kinder und Jugendlichen rütteln die Gesellschaft wach. Greta Thunberg zeigt des Kaisers neue Kleider.

Narrative umkehren

Ja, Klimaschutz heißt Verzicht: Wir verzichten auf schmutzige Luft und einen Haufen Tote! Wir können es schöner haben und gesünder. Ja, Fleischverzicht ist echter Verzicht. Verzicht auf Herzinfarkt und Schlaganfall. Darauf verzichte ich gerne.

Co-Benefits

Partei- und generationenübergreifend darstellen.

Burden of Diseases aufzeigen

Luftverschmutzung ist weltweit ganz oben als Todesursache. Es kostet uns nicht nur Eisbären und Bäume. Auch die Artenvielfalt um uns und IN uns schwindet. Natur gibt Nahrung, auch Nervennahrung und Seelennahrung. Wenn die Vielfalt in uns wegfällt, kannst Du Dich nicht mehr ernähren.

Cost of Inaction zeigen

„Das Teuerste, was wir jetzt tun können ist: Nichts.“ Diesen Spruch hat die Stiftung Gesunde Erde, Gesunde Menschen plakatiert. Es wird jedes Jahr teurer, Bollwerke z.B. gegen Flut zu bauen, wenn wir jetzt nichts tun. Darunter leidet auch die Wirtschaft, z.B. die Munich Re: Wie hoch steigen Versicherungsprämien, wenn schon ein einziger Hurrikan Milliarden Schäden anrichtet? Die Versicherungsbranche als urkonservative Branche sagt: Wir haben ein Problem.

Geschichten, die zeigen, was Einzelne bewirken können

Eine Frau hat 7 Jahre vor Gericht erstritten, dass ihre im Alter von 9 gestorbene Tochter auf dem Totenschein stehen hat: Luftverschmutzung (statt bisher: Asthma). So erhält das Problem einen neuen Rahmen (Framing): Weg von „Das Individuum ist schuld“ – lass halt Deine Kinder nicht in London auf der Straße spielen! Hin zu: „Es liegt am Politik- / Wirtschaftsversagen“ – ein Wandel muss her!

Geschichten, die zeigen:

„Wenn der / die sogar!, dann…“: Ein hoher australischer Feuerwehroffizier sagte: «Am Ende eines Feuerwehrschlauchs werden Sie keinen Klimaskeptiker mehr finden.»

Gute Lösungen und Beispiele

Greifswald will eine One Health Region Mecklenburg Vorpommern schaffen. Dort hat sich 2022 auch ein Helmholtz-Institut zu One Health gegründet.

Typische Ausreden hinterfragen

Häufiges Argument: Überbevölkerung ist das Problem! Ja, aber wer ist denn „über“? Und wer bestimmt, wer „über“ ist? Wie viele Geschwister hatte Deine Großmutter, Deine Urgroßmutter? Die Kinderzahl reduziert(e) sich durch Bildung, Empowerment, Verhütung. Das macht Bangladesch derzeit schneller, als es in Deutschland vonstattenging. Mitte des Jahrhunderts wird sich das Bevölkerungswachstum verlangsamen und das ist der humane Weg, statt Krieg oder Zwang.

Metaphern und Vergleiche in derKlimakommunikation

Wenn die Klimakrise das Fieber der Erde ist, ist das Artensterben ihre Demenz. Demenz bedeutet krankhaftes Vergessen. In jeder Art gibt es Wissen und Weisheit des Lebens. Prof. Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sagt: Wir verbrennen das Buch des Lebens, bevor wir es gelesen haben. Das Web of Life kann man sich vorstellen wie ein Kletternetz auf dem Spielplatz: Mit jedem Knoten, den man rausnimmt, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind runterfällt.

Kipppunkte anschaulich machen

Die Klimakrise ist deshalb so gefährlich, weil Kipppunkte überschritten werden. Sie sind irreversibel. Was heißt das? Nehmen wir ein Fieberthermometer. Jedes Fieberthermometer der Welt endet bei 42°C. Warum? Wenn ein Ei gekocht wird, bleibt es hart. Für immer. Es ist irreversibel in seiner Struktur geschädigt. Aus einem gekochten Ei wird kein Küken mehr. Es besteht aus Wasser, Eiweiß und Fett – wie unser Gehirn. Der Klimawandel bedroht unsere Gesundheit direkt.

Auf Framing achten

Z.B. der Titel „Klimaaktivist“ schließt viele Türen, assoziiert mit Bildern von Menschen, die sich irgendwo anketten oder festkleben.

Was kennt die Zielgruppe?

Z.B. kennen viele junge Leute den Club of Rome gar nicht. Daher auf Bezüge achten, die für die jeweilige Gruppe anknüpfungsfähig sind.

Einladen, andere anzustecken

Am Ende eines Vortrags stellt Hirschhausen z.B. immer die Aufforderung: Erzählt das bitte weiter! Und: Wer ist der mächtigste Mensch in Deinem Umfeld? Wer sollte davon erfahren?

Autorin: Tina Teucher, TT30
Foto Teaser: TT30