Der erkennende Gedanke
Die Grenzen des Wachstums” werden im Rahmen der Berichterstattung zum 50. Jubiläum des CLUB OF ROME viel erwähnt. Der Bericht erschien aber erst 4 Jahre nach der Gründung – und Peccei beschreibt ihn später als Trojanisches Pferd, aber wofür? Ich habe mich die letzten Tage viel damit beschäftigt und mir die Frage gestellt, was vor 1968 war und warum es überhaupt zur Gründung des CLUB OF ROME kam? Was trieb Aurelio Peccei um, was war seine Motivation?
“Mensch zu sein” bedeutet, zu fühlen
Die Geschichte beginnt schon Ende der 50er Jahre. Auroelio Peccei’s Sohn, Roberto, erzählte mir, sein Vater sei bereits damals von einem Gefühl geplagt worden. Einem Gefühl, dass die Menschheit sich auf einen Entwicklungspfad – einen Irrweg – begeben hatte, der kein gutes Ende nehmen würde. Er beschloss deshalb, seine Sorge zu beschreiben und bei öffentlichen Auftritten darüber zu sprechen – was er in einer Rede 1965 in Lateinamerika zum ersten Mal tat. Etwas, das damals für einen Industriemanager höchst ungewöhnlich und aus meiner Sicht sehr mutig war. Diese Rede führte später zum Treffen mit Alexander King und schließlich zur Gründung des CLUB OF ROME. Doch zurück zu Peccei:
Im ersten Satz in seinem Buch “Die Qualität des Menschen” schreibt Auroelio, sein Vater hätte ihn zwei Dinge gelehrt. Eines davon war es, “Mensch zu sein”. Und hier liegt aus meiner Sicht ein Schlüssel, um Peccei und seine Motivation zu verstehen: “Mensch zu sein” bedeutet – für mich – zu fühlen, sich mit seinen Gefühlen auseinanderzusetzen und empathisch zu sein, mit anderen und seiner Mitwelt. Etwas, das – wie von Peccei damals schon wahrgenommen – immer mehr in den Hintergrund gerückt ist.
Der CLUB OF ROME – Gefühlsduselei?
Denn genau das – der Verlust der Beziehung des Menschen zur Mitwelt parallel zur Entwicklung immer neuer mächtiger Technologien – war die Sorge, das ungute Gefühl, das Peccei hatte. Die Ausbeutung des Planeten ist für ihn die Konsequenz des fehlenden Verantwortungssinns eines – technologisch – immer mächtiger werdenden modernen Menschen:
“Seine Macht überträgt ihm die Funktion und Verantwortung für Entscheidungen, die einst der Weisheit der Natur oblagen,…, Der Mensch versteht es noch nicht, ein wirklich moderner Mensch zu sein,…, Das gesamte Netz, um das Menschheitssystem zusammenzuhalten und die Beziehungen des Menschen mit der Natur zu regeln, hat keine Gültigkeit mehr [1] …,Man sucht den heilsamen Fortschritt vor allem außerhalb des Menschen und nicht in einer Besserung unserer eigenen Denk- und Verhaltensweisen.
Der moderne Mensch kann alles verändern, doch darüber vergißt er, sich selbst zu entwickeln [2].”
Die Grenzen des Wachstums. Ein Mittel zum Zweck!
Ob die anderen Gründungsmitglieder des CLUB OF ROME ähnlich dachten und darin die Ursache für die Entwicklungen sahen, weiß ich nicht. Es scheint mir aber so. Peccei schreibt später immer wieder, der Bericht “Die Grenzen des Wachstums” sei ein Instrument gewesen, um die Menschheit wachzurütteln. Er war für ihn ein Mittel zum Zweck, damit sich die Menschen mit ihren Denkweisen und geistigen Fähigkeiten beschäftigen würden, die ursächlich und gleichzeitig Lösung seien, um den eingeschlagenen Weg – den der CLUB OF ROME als Irrweg der Menschheit beschreibt – zu verändern.
Lernen, unsere verborgenen Kräfte zu wecken: No limits to learning!
Peccei schreibt in “Die Qualität des Menschen” noch vieles über die Entwicklung des Menschen als Schlüssel. Viel wichtiger ist für mich abschließend aber ein anderer Bericht an den CLUB OF ROME, der leider aus meiner Sicht weltweit nicht (mehr) die Beachtung fand: “No limits to learning” erschien 1979 und inspirierte die Deutsche Gesellschaft CLUB OF ROME aber später ein Netzwerk sogenannter CLUB OF ROME Schulen ins Leben zu rufen. Peccei schreibt im Vorwort des Berichts:
“Der CLUB OF ROME schließt [nach den Grenzen des Wachstums und den folgenden Berichten] diesen Zyklus nun mit der Erörterung der freien inneren Spielräume, die in uns selbst existieren und Möglichkeiten zu ungeahnter Entwicklung beinhalten.,…,
Die Lösungen sind einzig in uns selbst zu suchen, wir alle müssen lernen unsere verborgenen Kräfte zu wecken [3].”
“The adventure of the spirit”
Ich habe mit diesem Beitrag versucht meine persönliche Sicht auf die Motivation, die zur Gründung des CLUB OF ROME am 7. April 1968 führte, darzulegen und vieles gelernt:
Für mich steht fest: Peccei ist seinem Gefühl als Mensch gefolgt. Er muss ein Mensch gewesen sein, der sehr bei sich und der Mitwelt war – “Mein Vater hatte einen sehr starken inneren moralischen Kompass” so sein Sohn Robert. Und Peccei hatte auch den Mut, zu kommunizieren, was ihn umtreibt. Eigenschaften, die wir als Menschen immer mehr verlieren. Und Peccei sah in dem Bericht “Die Grenzen des Wachstums” ein Trojanisches Pferd, damit sich die Menschheit damit befassen würde, warum sie denn diesen Irrweg eingeschlagen hatte und die Förderung des geistigen Potentials als wichtigste Lösung erkennen würde. Für Peccei war der CLUB OF ROME “the adventure of the spirit”.
Nicht nochmal 50 Jahre. Wir sind dran!
Ich bin erschrocken, dass Peccei 1981 in “Die Zukunft in unserer Hand” fast mit denselben Worten eine Situation und Entwicklung beschrieb, wie sie in dem, im letzten Jahr erschienenen, Buch “Homo Deus” erläutert wird. Ich frage mich (leicht frustriert), wie lange wir als Menschheit noch warten wollen, bis wir die Verantwortung als moderner Mensch annehmen werden; uns mehr mit uns, unseren Gefühlen und geistigen Potentialen auseinandersetzen und die Welt durch Werte, wie Demut und Eigenschaften, wie Empathie, zu einem besseren Ort machen wollen.
Wir haben nicht nochmal 50 Jahre, um das, was alles schon gesagt und geschrieben wurde, endlich anzugehen. Für mich heißt das, Lern- Erlebnis- und Orientierungsräume zu schaffen, in denen wir unsere Haltungen und Denkweisen, unser Selbstverständnis, reflektieren können, uns gegenseitig in unserer Entwicklung inspirieren & begleiten und uns als moderne Menschen verstehen lernen. Es ist also völlig konsequent, wenn Ernst-Ulrich von Weizsäcker, Co-Präsident des CLUB OF ROME eine neue Aufklärung fordert: Wir sind dran!
Von Andreas Huber